Das Kürzel lautet: LSBTI.
Es steht für verschiedene sexuelle und
geschlechtliche Identitäten. Die Debatte rauscht schon länger, aber
plötzlich geht es nicht mehr um Gedöns, sondern um Gesetz.
Die Rede ist vom I
im Kürzel: Intersexuell, das sind
Menschen, die biologisch weder eindeutig
Mann noch eindeutig Frau sind. Sie sollen künftig, so hat das
Bundesverfassungsgericht entschieden, einen eigenen Eintrag im Geburtenregister
bekommen: „Inter“ oder „divers“. Sie sind eine Minderheit, etwa
160 000 Personen.
Es gibt sie immer schon, die Uneindeutigen, bei denen zum
Beispiel die Geschlechtschromosomen eine andere Botschaft tragen als die
Hormone, und die Reaktion darauf bei Eltern: Schock und Scham. Die ärzliche
Praxis über Jahrzehnte: Was nicht passt, wird grausam passend gemacht - Hoden
entnommen, Eierstöcke entfernt - , oft ohne dass der betroffene Mensch erfuhr,
was mit ihm geschah.
Was für die einen ein Zuwachs an Freiheit ist, bedeutet
für andere Zumutung, Verunsicherung. „Und Gott schuf die Menschen als Mann und
Frau“? Eben nicht. Wenn er etwas schuf, dann waren es mehr als die zwei
Geschlechter, von denen die Bibel erzählt. Da ist sicher schwierig für manche
christlich Konservativen, die schon schwule Minister zu verkraften haben oder
die Ehe für alle.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts war wichtig,
ihre Folgen sind so groß, dass sie noch gar nicht abzusehen sind. Zum Beispiel:
Können Eltern ohne Rollenzuschreibung erziehen? Sollen sie das tun? Wer
bestimmt wann das Geschlecht eines Menschen? Wie oft im Leben kann es neu
festgelegt werden? Welche objektiven Kriterien zählen überhaupt? Wird der
Mensch irgendwann einfach selbst entscheiden, ob er als weiblich, männlich,
divers durchs Leben geht?
Das ist Neuland, neue Unsicherheit, aber es ist deutlich
besser als das, was war: hilflose Eltern, die ihr Kind zurechtschneiden lassen,
damit es der Norm genügt. Die Entscheidung sagt: Das Kind ist nicht falsch. Es
gehört dazu.
der Spiegel, 2018
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