Wenn der Streit ums Kind eskaliert: Von Entfremdung und
Bindungsintoleranz | WDR Doku
„Es ist wie ein nicht enden wollender Alptraum“, sagt Stefanie aus Dortmund, als sie erzählt, wie sie das Sorgerecht für ihren Sohn verloren hat. Laut Gerichtsurteil hätte sie eine zu enge Bindung zu ihrem Sohn und sei bindungsintolerant. Im Jahr 2021 haben etwa 14.600 Mütter und Väter das Sorgerecht für ihr Kind verloren. So hat es das Statistische Bundesamt ermittelt. Häufig geschieht das, wenn der Streit ums Kind zwischen den Eltern nach einer Trennung so eskaliert, dass eine gemeinsames Sorgerecht nicht mehr möglich ist. Aber wem von beiden entzieht das Familiengericht dann das Sorgerecht und aus welchem Grund?
Autorin Justine Rosenkranz macht sich für die ARD-Story auf eine Recherchereise und stößt dabei immer wieder auf die Begriffe Eltern-Kind-Entfremdung und Bindungsintoleranz. Und sie trifft Frauen, denen man das Sorgerecht mit genau diesen Begründungen entzogen hat. Eine von ihnen ist Steffi aus Dortmund. 2020 nahm das Gericht ihr den Sohn weg. Er war damals vier Jahre alt. Seitdem kämpft die stellvertretende Leiterin eines Kindergartens darum, ihren Sohn mehr als drei Stunden in zwei Wochen sehen zu dürfen. Das Gericht warf ihr vor, die Beziehung zu ihrem Sohn sei zu eng und sie hetze ihn so gegen den Vater auf, dass der Junge sich weigere, mit diesem zu gehen, wenn er ihn an seinen Umgangstagen ab-hole.
Auch Anna, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, hat das Sorgerecht für ihren Sohn verloren. Die Sozialpädagogin hatte den Verdacht, dass ihr vierjähriger Sohn bei den Umgängen vom Vater sexuell missbraucht wird. Anna geht in eine Klinik, um den Jun-gen von Fachleuten untersuchen zu lassen. Dort wird der Verdacht des sexuellen Missbrauchs erhärtet und das Jugendamt benachrichtigt, welches den Vater an-zeigt. Der Vater streitet den Vorwurf ab und die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen ein. Ein vom Gericht bestellter Gutachter attestiert Anna später eine psychische Störung und vermutet, sie wolle das Kind vom Vater entfremden. „Als ich dann in die Kita kam, standen zwei Mitarbeiterinnen vom Jugendamt dort und haben mir plötzlich eröffnet, dass mein Sohn jetzt zum Kindesvater gebracht wird und ich bin dann aus dem Raum raus und mein Sohn war weg. Einfach weg.“
Das Sorgerecht hat nun das Jugendamt, Anna kämpft vor Gericht darum, es zu-rückzubekommen.
Bei ihrer Spurensuche trifft die Autorin auf Experten und Expertinnen, die sich mit dem Thema Eltern-Kind-Entfremdung und Bindungsintoleranz seit Jahren intensiv beschäftigen. Während die einen Eltern-Kind-Entfremdung als emotionalen Miss-brauch am Kind betrachten, gibt es andere, die die Entfremdungstheorie als unwissenschaftlich ablehnen.
Wer hat Recht? Und vor allem, was ist beim Streit ums Sorgerecht das Beste für das Kind?
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